Hier schreibt Roderich Fabian.

Freitag, August 4

Original, fast 50

Es gibt ein München, das nicht dem inzwischen weit verbreiteten Bild entspricht. Man findet es bei Leuten, die in München nicht nur ihr Leben verbracht, sondern es dadurch auch verändert haben, ohne je faktische Gesataltungsmacht zu haben.
Gestern habe ich eine alten Schulfreund getroffen, nach 19 Jahren wieder einmal. Ein studierter 60er-Fan, ein Giesinger in Haidhausen, ein kinderloser Frauenvernascher, ein sportlicher Biertrinker, ein unglücklicher Überlebenskünstler, ein am Willen anderer Scheiternder, der genau dieses Münchner Bayerisch spricht, das Menschen aus dem Oberland nicht einmal als Dialekt bezeichnen würden, das ihn in z.B. Hamburg aber als "urigen Bayern" ausweist.
Die 70er haben ihn an Autoritten zweifeln lassen, in den 80ern hat er kurz den Traum vom wirklich Guten Leben geträumt, in den 90ern ging es nur noch um das Bewahren von Traditionen, jetzt hat das Alles etwas von Karl Valentin in der Spätphase: Das Geld wird knapp, die Forderungen steigen, der Humor wird schal - der ganze Mensch ein Hybrid aus durch verschieden Zeiteiste verwaschene Ideologien und Illusionen. Liebenswert.