Hier schreibt Roderich Fabian.

Sonntag, Dezember 20

Subkultur (will never die)

Es ist ein Kreuz mit der Subkultur. Gerade weil sie unterhalb der sog. Hochkultur angesiedelt ist und weil dazu streng genommen auch untergeschichtete Schlägertrupps, Fußballfans, Hooligans und Gesangsvereine gehören, tun sich alle die mit Subkultur(en) schwer, die sich entweder ausschließlich in hochkulturellem Rahmen bewegen oder – weit häufiger – von Kultur generell keine Ahnung haben.
Wie soll man einem bornierten Menschen den Unterschied zwischen Mainstream- und Underground-HipHop, zwischen Großraum- und Minimal-Techno erklären. Wie kann er verstehen, warum der eine Roman aus der Spiegel-Liste trivial, der andere aus dem Kleinverlag ungleich besser ist (auch wenn ihn kaum einer kauft), wenn der Betreffende generell kaum liest?
Kürzlich hat es Fatih Akin mir gegenüber im Interview schön auf den Punkt gebracht: Die Subkultur (die man in diesem Zusammenhang auch Avantgarde nennen kann – den Begriff müssen wir uns von den Modedesignern endlich wieder zurückholen!) geht neue Pfade, die dem Halb-Verständigen zunähst mal als brotlose Kunst, als abwegig, überflüssig und unvermittelbar erscheinen. Wenn der moderne Geist jedoch die Gesamtkultur auf neue Ideen bringt und sie sich die neue Erscheinung allmählich (unter Abnutzung des ursprünglichen Impulses) einverleibt, ist es nicht nur die Pflicht der Subkultur, sich neue Wege zu suchen, sondern schlichtweg ein natürlicher Trieb. Klar, dass man das bekämpfen kann, bis zum Exzess sogar („Entartete Kunst“), aber komplett totkriegen kann man das nie und never.
Jetzt haben wir schon 100 Jahre Pop-Kultur hinter uns und müssen trotzdem immer wieder erneut darum kämpfen, Leuten dafür ein klitzekleines Verständnis dafür abzuringen, die in Machtpositionen sitzen (und zur Erringung und Bewahrung derselben ohnehin keine Zeit finden, sich mit Kultur zu beschäftigen). Es ist eine never ending Story. Die Gegenseite hat nun vor allem deshalb Vorsprung, weil sich der Kapitalismus naturgemäß einen Scheißdreck um die Künste schert, kapitalistische Prinzipien folgerichtig allein dem Mainstream folgen und ihn befördern. Dadurch fühlen sich dann die Bornierten im Recht. Was kann helfen? Allein die Möglichkeit, die Borniertheit der Entscheider öffentlich vorzuführen. Dann können auch Vertreter der Hochkultur nicht mehr anders, als Einspruch anzumelden. Denn eines ist klar: wer die Subkultur bekämpft, bekämpft die Kultur insgesamt.