Hier schreibt Roderich Fabian.

Freitag, August 11

Appelei on 33

Die Preispolitik von Plattenläden ist ein schönes Abbild der "alternativen" Seite des Kapitalismus. Wie eine Aktie bleiben bestimmte, gehypte Werke einige Wochen lang hochpreisig. Entpuppt sie sich trotzdem als Ladenhüter, geht es dann aber rasch abwärts. Manchmal kann man mehrere Schichten von Preisaufklebern abrubbeln und den Preisverfall schwarz auf weiß nachlesen. Schlimmstenfalls taucht das betreffende Werk dann in der Grabbelkiste oder in einem "Überraschungspaket" (= 10 LPs für €10) auf. Sind die Jahre ins Land gezogen und hat der Zufall die Aufmerksamkeit erneut auf das eigentlich ja verblichene Werk geworfen, so kann es sein, dass "die lang vergriffene" LP nunmehr als 180 Gramm schwere, limitierte Edition so teuer zu erstehen ist wie nie zuvor. Es empfiehlt sich daher, immer erst am Boden in den Schmutzikistchen nachzusehen. Da steht manchmal noch immer das Original (für 1 Appel + 1 Ei). Allerdings ist die Musik dabei nicht besser geworden (aber darum geht`s bekanntlich nicht).

Donnerstag, August 10

Larger than Death

Da das Kino immer versucht, "larger than life" zu sein, kann man sich leicht darin verlieren. Es gibt nicht wenige Menschen, die der Realität bald nichts mehr abgewinnen können, weil sie zu viele Filme gesehen haben.
Menschen dieser Art trifft man vor allem bei Pressevorführungen. Filmjournalisten werden früher krank und sterben früher als andere. Aber dafür haben sie mehr Liebe und Tod gesehen (aber nicht erlebt).

Mittwoch, August 9

Good Times gone

In der Münchner Hans-Sachs-Straße war mal eine Zeitlang mein Stammlokal. Das ist lange her. Damals konnte man dort bis 16 Uhr frühstücken, Bier floss in Strömen und Studenten und "Freaks" (die man damals noch so nannte) saßen friedlich unter abgerissenen Filmplakaten und einer verrauchten Stuck-Decke.
Genau diesen Ort habe ich heute aufgesucht. Es ist immer noch eine Kneipe (vieleicht der falsche Ausdruck). Jetzt ist hier alles aus Glas und Stahl, der Kellner trägt die berühmte Pro-7-Kurzhaarfrisur (leicht hochtoupiert) und ist scheißfreundlich. Frühstück gibt es überhaupt nicht mehr, dafür Lachs mit Ruccola und eine ganze Palette von Longdrinks. Der Laden war so gut wie leer, weil in der Hans-Sachs-Straße inzwischen noch mindestens fünf weitere Lokale dieser Art existieren und um Kundschaft ringen.
Ich habe mich trotzdem hingesetzt und Bioessen mit Biosaft zu mir genommen. Zufällig kam dann sogar der Besitzer aus den 70ern dahergelatscht und hat mich angegrinst (wie ich da deplaziert saß zwischen Glas und Stahl).
Aber vielleicht ist es ja auch so, dass die in dem gepflegten Herren, der ich jetzt schließlich bin, genau die Zielgruppe sehen, die es anzusteuern gilt.
Eine Wiedererkennung gab es dann schließlich doch: Die Klos sind genau am selben Platz wie way back when. Aber das Licht ist gedimmt und der Geruch gedämmt. Früher stank's ziemlich. Vielleicht sind Moderne Zeiten eben doch nicht generell Scheiße.

Dienstag, August 8

Mysterien eines Hallenbades

Das Volksbad an der Isar hat den Vorteil, weder ein Sprungbrett zu besitzen noch andere Specials, die Attraktion auf Kinder und Jugendliche ausüben könnten (eine Stuckdecke gehört bekanntlich nicht dazu). Also bleiben Erwachsene und Rentner unter sich, was aber nicht heißt, dass man den anderen deswegen nicht auf den Geist gehen kann.

Störfaktor A: Die Parallelschwimmerinnen
Das sind meistens zwei Damen, die es für eine gute Idee halten, langsam nebeneinander zu schwimmen und sich dabei zu unterhalten. Die Folge ist, dass man sie großräumig umschwimmen muss, obwohl die Schnatterenten ungefähr die Hälfte der gesamten beckenbreite für sich beanspruchen.

Störfaktor B: Der Kampfschwimmer

BWM-Fahren im Volksbad: Ausschließlich Männer halten es für angebracht, im Höchsttempo mit wilden Armbewegungen (nicht selten auch hohem Spritzfaktor) voran zu powern. Sie bestehen darauf, ihre Bahn haargenau einzuhalten und setzen mit sanftem Zwang durch, dass der Entgegenkommende (meistens ich) ausweicht. Doch sind links und rechts gerade zwei Parallelschwimmerinnenpärchen unterwegs, bleibt nur der Ausweg nach unten.

Szörfaktor C: Ringelrentnerspiel

Im Alter werden sie wieder wie Kinder: Sie plantschen, paddeln, ruckeln an der Trennleine zwischen Schmimmer- und Nichtschwimmerbereich. Fehlt nur noch, dass sie sich Bällchen zuwerfen (aber vielleicht ist das im Voksbad ja verboten - mit meinem Segen).

Störfaktor D: Der Stein (selten)

Der Stein paddelt mit unerhörter Langsamkeit vorwärts. Fast bemerkt man nicht, dass er sich bewegt. Meistens hält er sich mitten im Becken auf, und es kann einem passieren, dass man ihn auf dem Hin- und Rückweg umschwimmen muss. Es gibt Steine, die mit Schnorchel i Becken liegen. Unmöglich, dass sie andere im Becken wahrnehmen. I am a Rock, I am an Island.

Montag, August 7

Hochwasser

Jetzt rasen die Wassermassen aus den Alpen durch München. Die Isar ist mal wieder ein reißender Fluss geworden. Verschwunden sind Liegewiesen und Inselchen, auf denen sich an heißen Tagen die Leute ausstecken.
Trotzdem stehen nicht wenige am Ufer und schauen zu. Sie bewundern die braune Brühe, die Kraft, die sie entfaltet. Man bekommt eine Ahnung von Naturkatastrophen, von etwas, dem man nicht entkommen kann, hat es einen einmal erfasst. Das ist natürlich auch eine Ahnung von Gottes Macht.

Sonntag, August 6

Immer forever

Wenn es einen Tag lang regnet, kann ich nicht mehr vorstellen, wie es ist, wenn die Sonne scheint.
Wenn es einen Tag lang heiß ist, kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie es bei Kälte ist.
Wenn es einen Tag lang grau ist, kann ich mich an Farben nicht mehr erinnern.
Wenn es einen Tag lang mau ist, schwindet jede Hoffnung.
Aber das ist nun mal Deutschland.